Nennen Sie nur ein Quäntchen ökologisches Gewissen ihr Eigen? Und wohnen Sie in der Nähe von Karlsruhe oder München?

Sollte dies beides der Fall sein, dann beginnt für Sie schon jetzt ein neuer Abschnitt als vorbildlicher Konsument, denn eine bekannte Drogeriemarktkette startet das „Pilotprojekt Verpackungsrückführung“!

Aber auch wenn Sie nicht in der Umgebung einer der 150 teilnehmenden Filialen (von circa 3700 bundesweit) leben, müssen Sie nicht verzweifeln. Mit Hilfe einer Online-Suchfunktion lässt sich der neue Service in Sekundenschnelle lokalisieren. Nur die Anbindung an den Ticketservice des öffentlichen Nahverkehrs lässt noch auf sich warten, was aber bestimmt nur eine Frage der Zeit ist.

Hat man die betreffende Filiale erst einmal erreicht, kann man seinen Beitrag zum Umweltschutz auf denkbar einfachste Weise – geradezu im Vorbeigehen – leisten. Die „restentleerte“ Kunststoffflasche wird in einer organischen Bewegung am Kassenbereich in eine hierfür optimierte Recyclingbox geworfen. Natürlich dürfen nur (!) Flaschen, die im firmeneigenen Markt oder Onlineshop gekauft werden können, auf diese Weise einer sinnvollen Wiederverwertung zugeführt werden. Das fällt aber kaum ins Gewicht, denn die Homepage verspricht im Gegenzug eines der wirklichen Grundprobleme der Mülltrennung gelöst zu haben: „ob mit Deckel oder ohne, das ist ganz egal“!

Wer will sich auch als Laie ein Urteil darüber erlauben, ob nicht die Shampooflasche eines anderen Herstellers den Recyclingprozess des Kunststoffs der Eigenmarke empfindlich stören könnte?

In diesem Sinne seien also alle Produzenten von Kunststoffverpackungen aufgerufen, diesem Beispiel möglichst bald zu folgen und für ihre Produkte jeweils eigene Abgabestellen einzurichten. Damit wäre doch die Idee der Markenbindung erst wirklich zu Ende gedacht!

Anschlussfähige Folgeideen werden nicht lange auf sich warten lassen. In der nächsten Staffel des Fernsehformats „Die Höhle der Löwen“ wird uns garantiert der praktische Kofferraumeinsatz mit zwölf Transportboxen zur besseren Sortierung des Abfalls nach anzufahrendem Abgabeort begegnen. Auch die uneingeschränkte Begeisterung der Öffentlichkeit kann bedenkenlos vorausgesetzt werden.

Aus den Erfahrungen bei der Einführung des Pfandflaschensystems wissen wir, wie groß die emotionale Teilnahme der Bevölkerung an entsprechenden Maßnahmen sein kann.

Hinter dieser scheinbar absonderlichen Idee der großen Drogeriemarktkette verbergen sich aber grundsätzlich Probleme der deutschen Kunststoff- und Verpackungsindustrie. Soll doch die Recyclingquote von Kunststoffverpackungen laut Verpackungsgesetz 2022 bei 63% liegen.

Die Wiederverwendungsmöglichkeiten sind in erster Linie von Qualität und Preis des Rezyklats abhängig. Insofern ist die Idee naheliegend, das eigene Verpackungsmaterial nach Gebrauch einzusammeln, um es einer möglichst effizienten Verwendung zuzuführen. Dabei scheint die Firmenleitung aber die Praktikabilität für den Verbraucher aus den Augen verloren zu haben.

Konsens müsste doch sein, dass die Mülltrennung gezeigt hat, dass selbst umweltbewusste Bürger durch allzu komplizierte und aufwändige Lösungen überfordert werden können, was letztlich zu einem nachlassenden Engagement führt.

Nur durch Innovationen und ihre Umsetzung können Veränderungen auf den Weg gebracht werden, die sowohl den Herstellern als auch den Konsumenten zugutekommen. Auf den großen Erfolg, für die Herstellung des Rezyklats bis zu 50 % im Gelben Sack gesammelten Kunststoff zu verwenden, ist zu Recht immer wieder verwiesen worden.

Nicht die Sorgfalt des einzelnen Haushalts bei der Mülltrennung, sondern nur das Zusammenspiel von Politik, Forschung und Wirtschaft kann uns aus der Sackgasse führen, in die uns der Ressourcenverbrauch der Moderne geführt hat.

Also kein unrealistisches, aber publikumswirksames Vertrauen in den individuellen Konsumenten, sondern Investitionen in weniger marketingfreundliche Themenfelder wie Materialforschung, intelligentes Produktdesign oder Technologien zur Müllsortierung!